Wir erkennen ein Gesicht wenn wir es sehen. Zwei Augen, eine Nase, einen Mund – der mal lächelt, mal nicht. Wer blind ist, muss sich die Gesichter und alles, was auf ihnen und in ihnen passiert, aus Geräuschen, manchmal Erinnerungen und Schwingungen zusammenreimen. Oder aber es anfassen um zu erkennen. Unzählige blinde Kinder werden in China von ihren Eltern wegen ihrer Sehbehinderung verstoßen und in ein Waisenhaus gesteckt. Die niederländische Künstlerin Carina Hesper hat eine Gruppe dieser Kinder porträtiert und dreht den Spieß nun um: Wer die Gesichter dieser Kinder sehen möchte, muss seine Hände benutzen. Die Seiten in ihrem Bildband „Like a Pearl in my Hand“ sind komplett mit tiefschwarzer Spezialtinte überzogen, die erst im Kontakt mit Wärme verschwindet. Nur durch die Berührung der Seiten mit den warmen Händen verflüchtigt sich das Schwarz und legt die Sicht frei auf die lachenden, strahlenden oder fragenden Kindergesichter. Wo Fotografie sonst lediglich dem Sehsinn vorbehalten ist, eröffnet Carina Hesper nun eine weitere Dimension. Und schärft dazu auch ein Bewusstsein fürs Anderssein. Ein großes Buch.
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Like a Pearl in my Hand | 259 Euro | www.carinahesper.nl

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