Freude, Angst, Überraschung, Trauer, Ekel, Wut, Vertrauen, Erwartung

Erinnert ihr euch noch an die Lichtgrenze anlässlich des 25-jährigen Jahrestages des Mauerfalls? Durch die ganze einstmals geteilte Stadt zog sich eine imaginäre Mauer aus Lichtsäulen, die sich per Knopfdruck auflöste und im trüben Nachthimmel verschwand. Verantwortlich für das Projekt damals war der Künstler Christopher Bauder, der mit seiner Arbeit immer wieder Grenzen sprengt, ob im Centre Pompidou in Paris, dem Museum of Fine Arts Taiwan oder zuletzt beim Lost-Art-Festival, dem Schlussakkord der Willner Brauerei. Christopher Bauder erschafft großformatige Licht-Soundinstallationen. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf der Transformation von Bits und Bytes zu Objekten im Raum und umgekehrt. Die Objekte, der Sound, das Licht und der umgebende Raum interagieren miteinander und saugen den Zuschauer ins Werk. Mehr noch, er begibt sich auf eine emotionale Reise und wird damit praktisch Teil der Installlation. Mit seiner spektakulären neuen Inszenierung SKALAR, die vom 27.01. bis 25.02. im Berliner Kraftwerk stattfindet, bringt der Künstler diesen Ansatz zur absoluten Vollendung. Gemeinsam mit dem Musiker Kangding Ray schickt er die Besucher auf eine Reise durch die Basisemotionen. Freude, Angst, Überraschung, Trauer, Ekel, Wut, Vertrauen, Erwartung: Das gesamte Spektrum der emotionalen menschlichen Erfahrungen wird durch eine immer wechselnde Tonalität in Licht, Ton und Bewegung ausgelöst, manipuliert und in Zyklen wiederholt. Modernste Technologie wird zu Kunst, hebt die Möglichkeiten der künstlerischen Kreation auf ein neues Level und lässt den Besucher in eine überirdische Atmosphäre eintauchen, die noch lange nachhallt. Das Ergebnis ist das vermeintlich Unmögliche, die Übersetzung von High-Tech-Maschinerie in pure Emotion. Das Ambiente des Kraftwerks tut sein Übriges hinzu. Das absolute Highlight sind die Live Performances am 4. und 24. Februar, bei denen die Stimmung der Besucher direkten Einfluss auf die Kunst und damit die Gestaltung nimmt, diese transportiert, verstärkt und bewegt – Angst wird zu Terror, Freude zu Extase und Erwartung zu…? Lassen wir uns überraschen.
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SKALAR – REFLECTIONS ON LIGHT AND SOUND | 25.01.-27.02., Mo-Do: 15-21 Uhr, Fr+Sa: 13-23 Uhr, So: 13-21 Uhr | Kraftwerk, Köpenicker Str. 70, 10179 Berlin | Tickets 12/9 Euro | Live Performances 04.02. und 24.02., Tickets 25 Euro | Tickets | Facebook Eventlink

Schön, dich zu sehen

„Wenn ich deine Seele kenne, male ich deine Augen“, soll der berühmte italienische Maler Amedeo Modigliani gesagt haben, als er das erste Portrait seiner Lebensgefährtin anfertigte. Viele weitere folgten, von ihr und anderen Menschen. Manchmal verzichtete er dabei sogar darauf die Augen zu malen. Vielleicht, weil ihm der Blick ins Innere seiner Protagonisten einstweilen zu intim erschien oder er das Feld der Interpretation dem Betrachter allein überlassen wollte. Nackte Körper ja, nackte Seelen nein. In den Augen spiegelt sich das Innerste eines Menschen, Emotionen, Absichten, Gemüt. Augen können strafen, zweifeln, streicheln, tadeln. Das Auge sieht, das Auge spricht – und zwar sehr viel mehr als 1000 Worte. Die Begegnung zweier fremder Augenpaare hat dabei ihren ganz eigenen Reiz. Am 30. August kommen Menschen verschiedensten Alters, Glaubens und sexueller Orientierung auf dem Berliner Alexanderplatz zusammen, um sich ganz einfach in die Augen zu schauen. Mit Indianerblick-Speed-Dating hat das nichts zu tun, viel mehr mit zwischenmenschlicher Nähe und dem Gefühl tiefer Verbundenheit. Bei den weltweit stattfindenden „Eye Contact Experiments“ kommen Menschen für den Augenblick einer Minute zusammen, die je nach Gegenüber spannend, lustig, beunruhigend oder ewig sein kann. Schaut euch an, gebt euch zu erkennen und erkennt euch selbst in den Augen der anderen.
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Eye Contact Experiment 2017 | Mi., 30.08.17, 18-21 Uhr | Berlin Alexanderplatz | Facebook Eventlink

24 Wochen

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Gleich aufstehen oder noch fünf Minuten liegen bleiben? Den Kaffee mit oder ohne Zucker? Mit dem Fahrrad los oder doch in die Bahn? Täglich treffen wir jede Menge Entscheidungen. Kleine Ja-Nein-Momente, die in Sekundenbruchteilen durchlaufen und erledigt sind. Und dann gibt es diese Augenblicke, die einen vor unlösbare Fragen stellen. Die drohen, uns komplett aus dem Gleichgewicht und unser Leben aus den Fugen zu katapultieren. Ein Abgrund geht auf. Und keiner weiß mehr weiter. In ihrem zweiten Langfilm „24 Wochen“ nähert sich Filmemacherin Anne Zohra Berrached einem dieser Abgründe. Julia Jentsch spielt darin Astrid, hingebungsvolle Kabarettistin, Mutter eines Kindes, Frau von Markus (gespielt von Bjarne Mädel). Schwanger mit dem zweiten Kind erfährt sie, dass dieses Menschlein mit einer Behinderung auf die Welt kommen wird. Astrid und Markus stehen vor einer lebensverändernden Entscheidung. Beklemmend und herzzerreißend, anrührend bis in die Seele, abgrundtief bis ins Bodenlose sind die bildgewaltigen Gefühle. Man kommt den Menschen und ihren Emotionen, ihrer Verzweiflung und ihrer Unfähigkeit sehr nahe in diesem Film. Den Anspruch an Authentizität hat Regisseurin Berrached intensiviert, indem die Ärzte im Film nicht von Schauspielern, sondern von echten Medizinern dargestellt werden. Der Sprech ist echt. Die Konfrontation auch. „24 Wochen“ war der einzige deutsche Beitrag im Wettbewerb der 66. Berlinale. Und überzeugt mit der gnadenlosen Annäherung an ein Thema, das bis heute ein Tabu ist: Wer entscheidet über ein Menschenleben? Wie weit geht Egoismus? Was hält ein Mensch aus? Was hält eine Beziehung aus? Was hält eine Familie aus? Wir wollen alles wissen. Aber was ist, wenn wir die Gewissheit haben?
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24 Wochen | Kinostart: 22.09.2016 | TrailerFacebook | Photo: Neue Visionen Filmverleih