Michael Bully Herbig & Thomas Kretschmann

Das 2 Minuten-Interview

Wenn einer, der selbst mit 21 aus der DDR geflüchtet ist, in einem Film, der von genau so einer Flucht erzählt, einen spitzelnden Stasi-Leutnant spielt, dann ist das allein schon ein starkes Stück. Wenn dieser eine dann noch Deutschlands erfolgreichster Hollywood-Export Thomas Kretschmann ist, sind spätestens alle Augen und Ohren auf Empfang. Und wenn dann auch noch Michael „Bully“ Herbig als Regisseur des Thrillers verantwortlich zeichnet und das so gut macht, dass nicht nur der eine, also der Thomas, sich fragt, warum ausgerechnet ein Bayer ein solch feines Gespür für das Thema hat, ist es endgültig an der Zeit mal wieder ins Kino zu gehen. Das mit dem Gespür hätten wir ja eigentlich mal fragen können. Stattdessen haben wir erfahren, dass die beiden wohl nicht in den selbstgemachten Ballon aus dem gleichnamigen Film gestiegen wären. Und was es mit der Freiheit an sich so auf sich hat. Und ob man besser gegen Enten, Pferde oder einfach überhaupt nicht kämpft. In diesem Sinne: stabiles Interview.

Name: Michael Bully Herbig / Thomas Kretschmann
Alter: 50 / 56
Wohnort: München / L.A.
Beruf: Filmemacher / Schauspieler
Schuhgröße: 42 / 43
Lieblingsort: Kino / Wategos, Australien
Kontakt: michael-bully-herbig.de / instagram.com/thomaskretschmann

Wovor bist du in deinem Leben schon einmal geflüchtet?
Bully: Vor langweiligen Filmen.
Thomas: Aus der DDR – einmal war notwenig und hat dann auch gereicht.

Was bedeutet Heimat für dich?
Bully: Home is where your heart is.
Thomas: Ein warmer Bauch.

Wie definierst du Freiheit?
Bully: Selbst entscheiden zu können, mit wem Du wann und wo Deine Lebenszeit verbringst.
Thomas: Freheit bedeutet, die eigene und die des anderen irgendwie deckungsgleich hinzukriegen.

Wärst du selbst in den Ballon gestiegen?
Bully: Wahrscheinlich nicht, hätte aber einen anderen Weg gesucht.
Thomas: NIEMALS! Ich habe Höhenangst.

Du begegnest deinem 18-jährigen Ich. Welchen Rat gibst du dir?
Bully: Hör auf Deinen Bauch!
Thomas: Lass dir nicht reinreden.

Ist es schwieriger Menschen zum lachen zu bringen oder zum nachdenken?
Bully: Kommt auf die Menschen an.
Thomas: Zum nachdenken, weil Faxen kann ja jeder machen. ;)

Würdest du lieber gegen eine Ente kämpfen, die so groß ist wie ein Pferd oder gegen hundert Pferde, die so klein sind wie Enten?
Bully: Kann ich jemanden anrufen?
Thomas: Grundsätzlich bin ich ein großer Tierliebhaber und kämpfe nicht so gern. Vor allem nicht mit Enten, die so groß sind wie ein Pferd. Pferde beißen ja und schlagen aus und in dieser Größe kann das nerven, ist aber wahrscheinlich nicht tödlich. Wenn ich mir dagegen eine dermaßen große Ente vorstelle…

Was würdest du tun, wenn du keine Angst hättest?
Bully: Ziemlich viel Blödsinn!
Thomas: In einen Ballon steigen.

Wie würden dich deine Eltern beschreiben?
Bully: Meine Mutter war alleinerziehend und sie würde sagen, der Junge geht seinen Weg.
Thomas: Meine alleinerziehende Mutter sagte immer: Schönheit vergeht, aber du bist dumm und das bleibt. ;)

Farbe oder Schwarzweiß?
Bully: Hängt von meiner Stimmung ab.
Thomas: Schwarzweiß. Ich mag die Reduktion auf’s Wesentliche.

Wenn wir dich zuhause besuchen, was würdest du für uns kochen?
Bully: Kaiserschmarrn ohne Rosinen.
Thomas: Spargel, da müsst ihr aber im Mai oder Juni kommen.

Was würdest du ändern wenn du die Macht dazu hättest?
Bully: Fake News abschaffen.
Thomas: Wenn ich könnte, würde ich der Menschheit die „Vormundschaft“ über den Planeten entziehen. Was wir alles mit uns, unserer Umwelt und der Tierwelt anstellen, ist katastrophal und ekelhaft. Tierquälerei beispielsweise würde ich drakonisch bestrafen.

Was sollte niemand von dir wissen?
Bully: Na, wenn ich das jetzt hier verraten würde, wäre ich ja selten dämlich, oder?
Thomas: Wie lustig. Also wenn es niemand wissen darf, dann kann ich das ja jetzt unmöglich alles aufzählen. Oder? (Mist, keiner von beiden in die Falle getappt. Anm. d. Red.)

Welche Frage hätten wir dir stellen sollen?
Bully: Was halten junge Leute von „Ballon“?
Thomas: Worauf bist du stolz?

Das letzte Wort:
Bully: Nach einer Schülervorführung gab es tosenden Applaus und ein Schüler sagte ins Mikrophon: „Gratulation Herr Herbig, stabiler Film!“
Thomas: Da hat der Bully Herbig ganze Arbeit geleistet.

Foto: @olafheinestudio

Zeit für Utopien

Apropos Nachhaltigkeit, der Film ZEIT FÜR UTOPIEN, der in dieser Woche Premiere feiert und ab dem 19. April offiziell im Kino läuft, porträtiert Projekte und Persönlichkeiten, die mindestens eines gemeinsam haben: sie sind beispielhaft für eine positive, lebensbejahende Art, unser Zusammenleben und Zusammenwirken neu zu denken und zu gestalten. Da wäre zum einen Marketing-Expertin, Soziologin und Slow-Food Aktivistin Petra Wähning, die mit ihrer Genussgemeinschaft Städter und Bauern solidarische Landwirtschaft in Deutschland möglich macht. Ganz ähnlich funktioniert das Projekt Hansalim, das ein Modell geschaffen hat, um 1,5 Millionen Menschen in Südkoreas Hauptstadt Seoul direkt mit frischen Erzeugnissen ländlicher Bauern zu versorgen und das natürlich zu fairen Preisen. Ja und besonders stolz sind wir natürlich auf den dritten Protagonisten. Unser großartiger Kunde Fairphone ist angetreten, um eine Bewegung für fairere Elektronik in Gang zu setzen und die Art und Weise wie Produkte gedacht und gefertigt werden, nachhaltig zu verändern. Head of Value Chain Laura Gerritsen fasst das im Film, den wir schonmal vorschmulen durften, auf ihre sehr sympathische Art zusammen: „Wir entschieden uns, eine Firma zu gründen und damit Teil des Systems zu werden, um es von Innen zu verändern. Wie alle Telekom-Produktionen organisieren auch wir die Produktion rund um den Erdball – nur stehen bei uns nicht Gewinnmaximierung an erster Stelle, sondern die Nachhaltigkeit des Produktes und faire Arbeitsbedingungen für die HerstellerInnen.“ Kein leichtes Unterfangen: Insgesamt stecken 54 Minerale in einem Smartphone. Die Lieferkette ist viel länger als bei Kaffeebohnen oder Bananen, Dutzende von Zulieferern sind involviert, die oft selbst Dutzende von Zulieferern haben. Eine Herkulesaufgabe zweifelsohne, aber möglich und der Anfang ist gemacht. Wir empfehlen von Herzen die spannende Reise entlang der Wertschöpfung und verlosen je 2×2 Tickets für die Preview heute Abend in Hamburg und die Premiere morgen Abend in Berlin. Schreibt eine Mail mit dem Betreff ‚YOUTOPIA‘ an hurra@muxmaeuschenwild.de.
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ZEIT FÜR UTOPIEN | Kinostart: 19. April | zeit-fuer-utopien.com | Facebook

Kategorien: Produkte | Autor: | Datum: 10. April 2018 | Tags: , , , , , , , Keine Kommentare

Gaza Shore

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Ein Hafen, an dem längst keine Schiffe mehr anlegen. Ein Flughafen, der von keinem Flugzeug mehr angeflogen wird. Fast niemand, der reinkommt. Und noch weniger, die rausgehen. Das ist der Gazastreifen. Zwei Millionen Menschen wohnen hier auf engstem Raum, zwischen Ägypten und Israel. Doch auf einer Seite, im Westen, tut sich ein kleiner Streifen Freiheit auf: Eine Strandlänge lang und sechs Meilen breit – bis zur israelisch kontrollierten Grenze. Dieses kleine Stück nehmen sich die Surfer von Gaza. Für die Dauer einer Welle ist der Ausnahmezustand ausgeblendet. Diese Momente, die Menschen dahinter und ihre Geschichten hat Regisseur Philip Gnadt in einen außergewöhnlichen Film gepackt, „Gaza Surf Club“. Am 30. März feiert der Film Premiere in Berlin – und das ist zugleich die erste Vorstellung im neuen Klick Kino. Das geschichtsträchtige Lichtspieltheater am Stuttgarter Platz macht nämlich nach mehrjähriger Filmpause wieder auf. Und zur Feier des Tages verlosen wir 2×2 Karten für das Kino Klick an die besonders Wellentauglichen unter euch. Schreibt eine Mail mit dem Betreff „EVERY BREAKING WAVE“ an hurra@muxmaeuschenwild.de.
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Gaza Surf Club | Berliner Filmpremiere: Kino Klick, Windscheidstraße 19, 10627 Berlin | www.gazasurfclub.de | Facebook | Youtube

Kategorien: Produkte | Autor: | Datum: 28. März 2017 | Tags: , , , , , , Keine Kommentare

Der andere Sieger

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And the winner is Moon…La la…Moonlight? Die Verwirrung bei der diesjährigen Oscar-Verleihung war groß, als ein fieser falscher Umschlag dafür sorgte, dass zunächst der gesungene Eintanz La La Land um Emma Stone und Ryan Gosling als Gewinner in der Kategorie „Bester Film des Jahres“ verkündet wurde. Aller Vorliebe für Selbstgesungenes und dem Schmacht-Appeal von Ryan und Emma zum Trotze, entschied sich die Jury in Wirklichkeit nämlich für einen anderen, sehr viel stilleren, sehr viel wichtigeren Film: Lange, weiße Sandstrände, tropisches Klima, wehende Palmen vor pastellfarbenen Häusern – das Miami des jungen Chiron sieht anders aus. Er ist jung, schmächtig, Afroamerikaner und der Protagonist im aufreibenden, unbequemen Drama „Moonlight“. An der Seite seiner süchtigen Mutter wächst er im Armenviertel von Miami auf, wird in der Schule gemobbt und findet keinen Halt – bis sich der kubanische Einwanderer und Dealer Juan seiner annimmt. Erstmals in seinem Leben erlebt Chiron emotionale Unterstützung und Aufgehobensein. Er setzt alles daran, seinen Ziehvater nicht zu enttäuschen und bemüht sich immer mehr in die Welt zu passen, in der er lebt: Er trainiert seinen Körper, trägt bald Diamantohrringe und einen Mund voller Grills – optisch ist der einstmals schüchterne, dürre Chiron nicht mehr von den anderen toughen Typen in seinem Umfeld zu unterscheiden. Seine Verletzbarkeit und Sensibilität aber bleiben. Die mühsam antrainierten Muskeln trägt er wie einen Panzer vor sich her, unter dem er sämtliche Gefühle versteckt. Bis sich eines Tages Kevin wieder bei ihm meldet, sein ehemaliger Schulkamerad, mit dem er damals am South Beach ungekannte körperliche Intimität erlebte. „Moonlight“ ist inhaltlich aufreibend und formal überzeugend. Die drei, chronologisch aufeinanderfolgenden Kapitel sind wie einzelne kleine Dramen zu sehen. Sie alle ermöglichen uns einen Blick hinter die Kulissen einer Szene, in der Andersartigkeit nicht geduldet wird. Ein anderer Film. Ein anderer Sieger.
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Moonlight | Kinostart 09.03.2017 | Trailer

Foto: Dos Hermanas LLC

Kategorien: Produkte | Autor: | Datum: 07. März 2017 | Tags: , , , , , , Keine Kommentare

Wolf ab!

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Sieh dich nicht um, ein Wolf geht um! Stimmt, es ergibt auch vielmehr Sinn, nach vorne zu schauen – in Richtung Leinwand nämlich. Nach sechs Jahren Ideenschmieden, Crowdfundinganheizen, Aufreißen, Runterreißen, Rausreißen, Putzen, Bauen und Streichen hat der Wolf, das neue Kino im Herzen Neuköllns, eröffnet. Und dieser Wolf hat es in sich. Er ist nicht nur Filmvorführungsstätte und Bar, sondern eine Heimat für alle Filmliebhaberinnen und Zelluloid-Aficionados. Neben zwei Kinosälen beherbergt er ein Studio zum experimentellen Umgang mit und zum Diskutieren über Bewegtbild. Gearbeitet wird an einer Postproduktionsstätte mit Farbkorrekturstudio, damit der gesamte Kreislauf des Films hier ein Zuhause finden kann. Das Programm ist ein kaleidoskopischer Blick auf die Filmgeschichte und -zukunft. Gezeigt werden Neuerscheinungen, Filme ohne Verleih, spezielle Reihen, Dokumentarfilme, Festivallieblinge und Retrospektiven. Der Ort allein ist schon gefüllt mit Geschichte. Die Räumlichkeiten an der Ecke Weser- und Wildenbruchstraße beherbergten in den vergangenen Jahren schon eine Buchbinderei, einen Waschsalon, ein Bordell – und eine Bäckerei. Willkommen in Neukölln! Am 25 März steigt übrigens die WOLF EDITION #1 ein Workshop zum Thema „Kino der Zukunft“ mit Regisseurin, Performance-Künstlerin und Musikerin Josephine Decker. Frage: „Wie kann ein Film sowohl unser Bewusstsein, als auch unser Unterbewusstsein ansprechen?“ Der Wolf weiß es.
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Wolf Kino | Weserstraße 59, 12045 Berlin | wolfberlin.com | Facebook | Foto: Uli Kohl

Kategorien: Orte | Autor: | Datum: 07. März 2017 | Tags: , , , , , , , , Keine Kommentare

HERBERT

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HERBERT

Herbert hat vor allem Kraft. Sein ganzes Leben war es vor allem die Physis, seine unheimliche Präsenz und unnachgiebige Stärke, die ihn auszeichnete, die ihn zum erfolgreichen Boxer, zum „Stolz von Leipzig“ machte. Das mit dem Stolz ist vorbei, lange schon. Herbert verdient sich als Geldeintreiber für einen zwielichtigen Typen. Sein boxerisches Können gibt er als Amateurtrainer weiter an Eddy, seinen Schützling. Doch irgendetwas stimmt nicht mit Herbert. Er fühlt sich immer häufiger schwach, wird von Krämpfen geplagt, bis er schließlich zusammenbricht. Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, war im Sommer 2014 ein allgegenwärtiges Thema. Hunderttausende Menschen kippten sich kübelweise Eiswasser über den Kopf. Ob des Spaßfaktors trat gelegentlich in den Hintergrund, worum es dabei eigentlich ging, nämlich aufmerksam zu machen auf eine irreversible, unheilbare und gnadenlose Krankheit und das sekundenkurze Nachempfinden der damit verbundenen Schmerzen. Herbert also, die starke, mächtige Hauptfigur in Thomas Stubers gleichnamigen Langspielfilm-Debut verliert in rapidem Tempo alles was ihn zeitlebens definierte. Er verliert sich selbst und wir schauen ihm dabei zu, wie die Krankheit ihn schwächt, ihn lähmt und ihm Stück für Stück die Kontrolle über seinen Körper entzieht. Ihm bleibt nur wenig Zeit, um sein Leben in Ordnung zu bringen, um Frieden mit seiner Tochter Sandra und Enkelin Ronja zu schließen und die Beziehung zu seiner Geliebten Maria zu pflegen. Darsteller Peter Kurth spielt Herbert nicht nur, er ist Herbert. Er lässt uns förmlich mitleiden und mitleben. Der Tod ist unausweichlich für ihn, allein dadurch, dass wir dies wissen, können wir diese Reise von und zu sich selbst mit ihm gehen. Jede Minute, jede Sekunde, intensiv, endlich, bis zum Ende, der Erlösung vom Schmerz und von der Fessel des Ungesagten. Ein berührender, ein erdender, ein wirklich guter deutscher Film.
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Herbert | z.B. im Thalia, Kino in der Kulturbrauerei etc. | Facebook | Trailer

 

Kategorien: Produkte | Autor: | Datum: 30. März 2016 | Tags: , , Keine Kommentare

Lebensgroß

Lebensgroß

Anton Corbijn schafft Ikonen. Als Haus- und Hoffotograf von Bands wie U2 oder Depeche Mode schuf er überlebensgroße Heldengestalten in betörendem Braunschwarzweiß. Irgendwie hat der stille Niederländer ein Faible für diese von Blitzlicht und Schatten gezeichneten Figuren, nicht nur fotografisch, auch mit der Bewegtbildkamera nähert er sich immer wieder still und leise dem Kleinen im Leben der Großen. Dem traurigen Leben des Joy Division Sängers Ian Curtis beispielsweise schuf er ein filmisches Denkmal, das wie der Schlussakt im Schaffen des Sängers wirkt, der sich vor so langer Zeit selbst das Leben nahm. In seinem neusten Streifen wendet sich Corbijn dem größten Posterboy aller Zeiten zu. Er erzählt die Geschichte des jungen Celebrity-Fotografen Dennis Stock, der den damals gerade zum Star gewordenen James Dean auf einer Reise in dessen Heimat fotografisch begleitet. Während des Trips entstehen die meisten Bilder, die den Ruhm des nur wenig später tödich verunglückten Schauspielers auf ewig manifestierten. Von Stock stammt auch die wohl berühmteste Aufnahme von James Dean im Regen New Yorks mit hochgeklapptem Mantelkragen. Corbijn erzählt also in bewegten Bildern von einer Ikone, die durch ikonische Bilder genau dazu wurde. Das ist so simpel wie genial. Das dramatische Geschehen wird dabei so sehr verengt, dass es sich bisweilen anfühlt, als würde man tatsächlich in Fotografien blättern anstatt 24 oder mehr Bilder pro Sekunde vor dem Auge vorbeifließen zu sehen. Nicht falsch verstehen, statisch ist anders. Corbijn hat die Bewegung entdeckt und lieben gelernt. Den Blick für Komposition und leise Inszenierung hat er ja sowieso. Prädikat: großartig.
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Kinofilm ‚LIFE‘ von Anton Corbijn | z.B. im Babylon oder den anderen Kinos der Yorck-Gruppe | Foto: Caitlin Cronenberg

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Kategorien: Produkte | Autor: | Datum: 30. September 2015 | Tags: , , , , , Keine Kommentare

Wer wir sind.

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Wer wir sind.

„Das wird man doch wohl noch sagen dürfen, und daneben stehen erst recht! Und nichts dagegen machen, sowieso“. Wir schreiben das Jahr 1992. Wir befinden uns in Rostock, Stadtteil Lichtenhagen. Der gesamtdeutsche Freudentaumel der Wiedervereinigung ist Geschichte, der Kater schmeckt nach Perspektivlosigkeit, Verunsicherung, Arbeitslosigkeit, Langeweile und Frust. Ein Mix der nach Protest schreit, nach in Benzin getränkten Stofflappen riecht und hilflos, folgerichtig und kollektiv nach Schuldigen sucht, für die eigene Misere, oder einfach die Angst davor. Menschen aus dem Osten sind die Neuen, die Anfänger im Wertesystem des Kapitalismus. Erfahrungen aus 40 Jahren Lebenswirklichkeit wurden nicht assimiliert sondern quasi für ungültig erklärt. Es sind Stimmungen wie diese, die den Nährboden für Protest aber auch für diffuse Bedrohungsszenarien bereiten und Radikalen die Möglichkeit bieten auf kleinem Nenner eine größere Menge an Menschen zu erreichen. Das Spiel ist bekannt und funktioniert immer besonders gut im Interessenverbund von Beteiligten mit Hebelfunktion. Nicht selten und so auch in diesem Fall sind das Polemiker, Politik und Medien. Klingt irgendwie erstaunlich vertraut in diesen Tagen. In Rostock Lichtenhagen versammelten sich auf dem Höhepunkt einer mehrtägigen gewalttätigen „Protest“-Aktion gegen Asylbewerber und Zuwanderungspolitik über 3.000 Menschen vor dem Sonnenblumenhaus genannten Plattenbau, der als Wohnheim für ehemalige vietnamesiche Vertragsarbeiter diente. Es waren „nur“ einige Hundert von ihnen, die gewaltsam und mit Brandgeschossen bewaffnet randalierten, der Rest waren Schaulustige, die dabei standen und applaudierten. Gut 50 Jahre nach der Reichspogromnacht brannten in Deutschland Wohnungen von Menschen nichtdeutscher Herkunft. Die Bilder davon gingen um die Welt, das Foto eines Betrunkenen in Deutschland-Trikot und mit vollgepisster Jogginghose wurde zum Symbol eines hässlichen Deutschlands. „Wir sind jung, wir sind stark“ heißt der Film von Jungregisseur Burhan Qurbani, der sich feinfühlig und sensibel der Geschehnisse jener Tage annimmt, ohne konkret anzuklagen oder zu denunzieren. Der Film ist in weiten Teilen in schwarzweiß gedreht und beschreibt eine der schlimmsten zivilen Katastrophen der Deutschen Nachkriegszeit am Beispiel der Beziehungen gewöhnlicher junger Menschen und das moralische Versagen der Gesellschaft, sich um sie zu kümmern. Der Film läuft schon seit einigen Wochen in den Kinos und wird sicher bald von populäreren Formaten verdrängt. Unser Prädikat: angucken! Und zwar auf der großen Leinwand. Beispielsweise im Passage Kino in Neukölln. Wir verlosen 2×2 Kinokarten mit freier Platzwahl. Schreibt eine Mail mit dem Betreff ‚LÄUFT‘ an hurra@muxmaeuschenwild.de. Außerdem läuft der Streifen noch in zwei anderen Yorck-Lieblingskinos. Denn wie heißt es so schön, im richtigen Kino ist man nie im falschen Film. In diesem Fall gilt das doppelt.

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Film: Wir sind jung, wir sind stark | jungundstark.de/ | yorck.de/wochenprogramm | Trailer | Credit: Zorro Film

 

 

Mann mit Vogel

Mann mit Vogel

Michael Keaton war Birdman. Äh Verzeihung, Batman! Da kommt man ja ganz durcheinander bei dem ganzen Fluggetier. Seither hat man den Schauspieler nicht mehr so recht wahrgenommen auf der Leinwand, zumindest nicht in Streifen, an die man sich gerne erinnert. In seinem neuesten Film spielt er (Achtung!) einen Schauspieler und zwar einen in die Jahre gekommenen, genauso alt wie er selbst, wenn man genau ist und genauso unerfolgreich im Hinblick auf den großen Leinwanderfolg nach Bat…nein Birdman. Die Rolle des Vogelmann Actionhelden verkörperte Riggan Thomas, die Figur, die Keaton im gleichnamigen Film von Alejandro González Iñárritu spielt, zu Hochzeiten seiner Karriere. Ein Schelm wer Parallelen dabei erkennt. Inzwischen will vom Schauspieler Riggan niemand mehr etwas wissen. Das wurmt den Beifall-süchtigen Charakterdarsteller, weshalb er beschließt ein Theaterstück zu inszenieren, mit ihm selbst in einer Paraderolle und ganz weit weg vom Comic-Ruhm vergangener Tage. Blöd nur, dass das Stück bereits vor der Erstaufführung verrissen wird, sein Co-Schauspieler nicht nur um Längen talentierter ist, sondern auch ein ausgewachsener Soziopath (großartig Edward Norton!). Hinzu kommt eine scheinbar schwangere Geliebte, eine besserwissende Ex-Frau, die Verachtung der drogensüchtigen Tochter und ach ja, Birdman persönlich! Das alte Alterego flattert nämlich ständig durch Kopf und Alltag des Protagonisten, stiftet ihn hier und da zu Dummfug an, konspiriert und verbündet sich mit ihm gegen die Welt und ihre Schergen. Birdman war für Riggan Thomas keine Rolle, Riggan Thomas IST Birdman. Zumindest glaubt er das, schnippst Feuer, kann fliegen und Gegenstände per Gedankenkraft bewegen. Wahrscheinlich verliert er nur den Verstand, aber man will ihm einfach beistehen, und wünscht sich insgeheim fast, dass dieser hoffnungslose Fall tatsächlich mit Superheldenkräften ausgestattet ist. Der Film, der morgen in den deutschen Kinos anläuft, ist eine wunderbare und fantastische Abrechnung mit der Filmbranche, ohne je albern oder bemüht zu sein. Die Bilder, für die der großartige Emmanuel Lubetzki (Gravity) verantwortlich zeichnet, wirken wie aus einem Guss und ohne sichtbare Schnitte. Michael Keaton spielt die Rolle seines Lebens und zwar im Wortsinn. Vollkommen zu Recht wurde der Film für neun Oscars nominiert, darunter den für den besten Film, die beste Regie und den besten Hauptdarsteller. Den hat Michael Keaton schon so gut wie sicher. Im Notfall hilft er einfach mit ein paar übersinnlichen Fähigkeiten nach. Unbedingt im Original anschauen!

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Birdman | Kinostart: 29.01.2015 | Trailer | birdmanthemovie.com | Foto: Twentieth Century Fox

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Kategorien: Erlebnisse | Autor: | Datum: 28. Januar 2015 | Tags: , , , , Keine Kommentare