Anne ist ein schüchterner Mensch. Immer schon gewesen. Wenn ihre Mutter sie beispielsweise in der Oerlinghausener Einkaufsstraße vorschickte, um dem Gitarrenspieler auf der Straße Münzen in seinen Hut zu werfen, behagte ihr das gar nicht. Das hat sich bis heute nicht geändert. Trotzdem moderiert sie seit drei Jahren die Berlinale-Sektion ‚Berlinale Goes Kiez‘ an sieben Tagen in sieben verschiedenen Kiezkinos in der Hauptstadt. Und das kam so: Neben ihrem Studium der Soziologie und Lateinamerikanistik in Bielefeld fing sie an im Kino zu jobben. Über Umwege, einige Praktika und eine Weiterbildung zur Filmtheatermanagerin kam sie an das City Kino Wedding, eröffnete es wieder und machte diesen wunderschönen Ort auch über die Bezirksgrenzen und die Cineastenaficionadosszene hinaus bekannt.

Name: Anne Lakeberg
Alter: 37
Wohnort: Berlin
Beruf: Kinobetreiberin
Schuhgröße: 39
Lieblingsfilmzitat: Wenn ich Filmzitat mal nicht als Satz oder Sprache sondern als filmisches Zitat, also eine Szene eines Films verstehe, dann wäre es aktuell wohl das Ende von PORTRÄT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN. Die Kamera beobachtet Adèle Haenel, wie sie eine Oper schaut und dabei viele, viele Emotionen durchlebt, die gleichzeitig die ganze Geschichte des Films quasi Revue passieren lassen. Ich hätte diesem Gesicht und seinen Reaktionen noch Stunden zuschauen können.
Kontakt: info@citykinowedding.de

Beschreibe das City Kino Wedding in fünf Worten: Einladend, großzügig, elegant, 60ies, abwechslungsreich.

Was können wir tun, um in der Corona-Krise Kinos zu helfen? Zum Einen ist es wirklich eine große Hilfe – und viele, viele Menschen haben das schon getan! – wenn Gutscheine gekauft werden. Das kann ganz bequem online unter: citykinowedding.de/kinogutscheine gemacht werden. Damit haben wir jetzt Einnahmen und später dann die Gäste, auf die ich mich natürlich sehr freue! Zum Anderen habe ich gemeinsam mit anderen Berliner Programmkinos eine Crowdfunding-Kampagne auf Startnext initiiert. Damit unterstützt ihr nicht nur mein Kino, sondern eben die Vielfältigkeit der Berliner Programmkinoszene, was mir selbst auch ein großes Anliegen ist.

Was können wir alle aus den vergangenen Wochen lernen? Ich finde es sehr faszinierend, mit wie viel Unsicherheit die Menschen doch umgehen können. Ich selbst bin schon auch ein stückweit ein Kontrollfreak und ich denke, viele Menschen heutzutage sind das. Gerade lässt sich aber wenig kontrollieren, planen, vorausschauen. Verrückt, dass wir nicht alle komplett durchdrehen deshalb! Irgendwie finde ich das auch eine gute Herausforderung, mal loszulassen und sich zu lösen von dem großen Bedürfnis alles in der Hand zu haben.

Welchen Film möchtest du als Erstes zeigen, wenn das Kino wieder öffnen darf? Wie auch schon vor der Corona Krise darf WEDDING von 1989 nicht fehlen. Das ist mir wirklich eine Herzensangelegenheit, denn der erzählt eine kleine (fiktive) Geschichte aus dem Berliner Wedding vor der Wende und ist ein Stück Kiezkultur und irgendwie schon Kult, obwohl wir ihn erst seit einem Jahr ausgegraben haben und bei uns zeigen. Und fast immer, wenn er läuft, ist einer der Hauptdarsteller, Harald Kempe, zu Gast und erzählt den Gästen vom Dreh, von der damaligen Zeit etc. Abgesehen von WEDDING hoffe ich auf Filme, die eigentlich schon hätten starten sollen wie BERLIN ALEXANDERPLATZ von Burhan Qurbani und UNDINE von Christian Petzold. Als erstes werde ich sie wohl nicht zeigen, aber so schnell wie es mir der Verleih erlaubt!

Was macht dich an deiner Arbeit glücklich? Natürlich macht es mich sehr glücklich, wenn das Kino voll ist, die Leute kurz vor der Vorstellung alle aufgeregt in ihren Sesseln sitzen, es kaum erwarten können, dass der Film losgeht. Diese Stimmung, die fühlt man richtig in der Luft, wie ein Vibrieren, und die ist toll. Aber ich mag es auch die Leute zu beobachten wie sie aus dem Saal kommen, zu schauen, wie ihre Stimmung ist. Und letztlich macht es mir auch Spaß, ganz allein am Schreibtisch ein Programm fertigzustellen, es in seiner Gänze zu sehen und zu rätseln, wie es wohl ankommt. Sobald ich es in die Welt hinauslasse und sehe zum Beispiel wie der Vorverkauf läuft oder wie die Reaktionen in den Sozialen Medien sind, sehe ich auch, wo ich einen guten Riecher hatte und wo eher nicht. Und das ist echt oft sehr erstaunlich.

Die wichtigste Lektion, die du bisher gelernt hast? Dass man sich selbst und seinen Werten und Vorstellungen treu bleiben muss. Wenn man sich verbiegt, kommt meistens einfach nichts Gutes dabei raus. Das ist eben so.

Wann hast du zuletzt etwas Neues ausprobiert und was war das? Ich bin kürzlich mit meinem Freund zusammen gezogen und tatsächlich ist es das erste Mal, dass ich diesen Schritt gewagt habe. Aufregend, aber es ist toll! Manchmal muss man sich eben aus der comfort zone hinauswagen!

Wenn dein Leben einen Soundtrack hätte, von wem wäre der? Leonard Cohen und Sufjan Stevens zusammen! Und vielleicht noch eine Prise Cocorosie. Puh, klingt nach einer wilden Mischung. Umso besser!

Wer war der Held deiner Kindheit und wer ist es heute? Es gab in meiner Kindheit einen Grundschullehrer, den ich sehr bewundert hab und der mich irgendwie beeindruckte. Er war sehr groß und hat immer schwarze Anzüge getragen und eigenwillige Exkursionen mit uns Kindern gemacht, in die Natur, aber auch zu Künstlerhäusern und so was. Und er hat mich gefordert und gefördert. Ein bisschen war er wohl mein Held. Sonst konnte ich mich immer zwischen solchen Figuren wie Old Shatterhand oder Winnetou nicht entscheiden. Ich fand immer beide toll und wusste nicht, ob besser der „Indianer“ oder doch lieber der Cowboy. Heute kann ich das schwer sagen, es gibt Menschen, die ich bewundere, aber so EINE*N Held*in hab ich gar nicht.

Was ist dein wertvollster Besitz? Ich habs nicht so mit Besitz. Ich meine, ich habe schon gerne Sachen, schöne Dinge, die mich umgeben, aber ich merke doch bei vielem, dass ich auch darauf verzichten könnte wenn es sein müsste. Was mir sehr wichtig ist, ist meine Wohnung oder ein zu Hause! Aber ich bezweifle, dass ich jemals eins haben werde, das wirklich mir gehört :-)

Was würdest du ändern, wenn du die Macht dazu hättest? Ich würde gerne die Angst abschaffen. Klar ist sie ein Gefühl, das nützlich sein kann, wenn wir instinktiv Gefahr spüren und wegrennen oder so. Aber mir erscheint, dass die Angst heute in der Gesellschaft, in der wir leben, oft unnütz ist und sogar gefährlich. So oft entsteht Gewalt, Ablehnung oder Hass aus einer Angst, die nicht begründet ist. Gäbe es die Angst nicht, dann gäbe es bestimmt viele Probleme weniger in der Welt.

Wenn wir dich zuhause besuchen, was würdest du für uns kochen? Ehrlich gesagt, ich kann nicht gut kochen. Ich denke, mein Freund müsste das übernehmen, denn er ist einfach viel besser darin! Vielleicht würde ich ihn fragen, ob er was mit Salbei macht. Ich liebe gerade Salbei!

Was sollte niemand von dir wissen? Ein paar Geheimnisse sollte man wohl haben!

Welche Frage hätten wir dir stellen sollen? Was würdest du sein/machen, wenn dein Leben anders verlaufen wäre? Ha!

Das letzte Wort: Unbeschwertheit, bitte komm zurück – irgendwann!

FOTO: Anne Lakeberg