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Berlin boomt. Berlin ist eine einzige, riesengroße Baustelle. An allen Ecken schießen neue Wohnhäuser in die Höhe, die Investoren überbieten sich gegenseitig. Man raunt sich das G-Wort zu. Und immer mal wieder, wenn wir uns die Zeit nehmen um hinzuschauen, entdecken wir in dem ganzen explosiven Erweiterungs-Wahn ein Kleinod. Eine Preziose mit Geschichte und Charakter. So wie die Musikbrauerei in unserer unmittelbaren Nachbarschaft im Prenzlauer Berg. Umzingelt von homogenen Townhouses steht das 120 Jahre alte Backsteingebäude als Zeugnis einer anderen Zeit. Unverputzt sind die katakombischen Räume der ehemaligen Brauerei, ungeschönt, ohne Schnörkel, nackt. So passt die Musikbrauerei perfekt als Location für das Konzert des ensemble mini heute Abend. Das Mini-Orchester, bestehend aus 20 Musikern, eröffnet reduzierte, minimalistische Perspektiven auf klassische Musik. Große Symphonik muss nicht bombastisch und teuer sein, um gut zu klingen – dieses Prinzip, das Arnold Schönberg vor 100 Jahren etablierte, führt der junge britische Dirigent Joolz Gale mit seinem ensemble mini weiter. Junge Musikerinnen und Musiker der Berliner Philharmoniker wagen sich an abgespeckte Versionen opulenter Kompositionen – ohne jeweils die Essenz des Werks zu verfälschen. Heute Abend spielen sie im intimen Rahmen eine prägende Symphonie: Mahlers Zehnte. Diese letzte, unvollendete Symphonie des Komponisten ist ein sehr persönliches Werk und spannt nicht zuletzt einen Bogen zur Situation der Musikbrauerei, die ausharrt, obwohl die neuzeitliche Architektur versucht, sie zu überrollen. Während Gustav Mahler 1910 an seiner Zehnten schrieb, erfuhr er vom Verhältnis seiner Frau zum Architekten Walter Gropius, was ihn in eine tiefe Krise stürzte und ihn bei der weiteren Arbeit stark beeinflusste. Seine Verzweiflung fand Niederschlag in seinem Schaffen. Was bleibt, ist ein Werk voller Ausdruck und Kraft, wie gemalt für diesen Ort. Wie heißt es so schön, wo man singet, da lass dich ruhig nieder. So machen wir das.
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Late Night Konzert: Mahler 10, ensemble mini | 09. Juni ab 22 Uhr | Musikbrauerei Berlin | Tickets für 20 € (inkl. Freibier) oder 15 € (ermäßigt)