Jesko (rechts auf dem Foto) und Ortwin sind Kiezpoeten, soll heißen Mitglieder des gleichnamigen Poetry Slam- und Veranstalter-Kollektivs aus Berlin. Vor fünf Jahren erst gegründet, sind die Kiezpoeten inzwischen das größte Poetry Slam-Kollektiv Berlins und performen schonmal im Auftrag der Unesco-Kommission Deutschland oder anderer dicker Fische. Allein im gerade begonnenen Jahr stehen etwa 100 Poetry Slams, Songslams, Kleinkunstshows uvm. in Berlin und Brandenburg an. Zum Beispiel das Ostberlin Poetry Slam Open Air am 13. Juni im Freiluftkino Friedrichshagen oder die Berlin-Brandenburg-Meisterschaften im Poetry Slam vom 16.-19. April. Auf ein Wort, ihr Wortakrobaten.

Name: Jesko Habert / Ortwin Bader-Iskraut
Alter: 31 / 28
Wohnort: Berlin / Berlin
Beruf: Veranstalter, Poet, Redakteur / Musiker, Slam Poet, Veranstalter
Schuhgröße: 42 / 43
Lieblingswort: Fingerspitzengefühl / knorke
Kontakt: kiezpoeten.com

Ein Wort, das du viel zu oft benutzt:
Jesko: Schön
Ortwin: Entschuldigung

Welcher Moment hat alles verändert?
Jesko: 2012, als ich mit meinem besten Freund entschied, eine eigene Slam-Veranstaltung in meiner Uni-Stadt Halle zu starten, den Regioslam. Selbst plakatieren gehen und Stühle rücken, Teamtexte für den Feature-Slot zusammen schreiben, gemeinsame Moderation durchsprechen – das war anstrengend und ein Allround-Job, aber da hab ich Blut geleckt.
Ortwin: 2011, als ich damals zum ersten Mal mit ein paar mittelguten Gedichten auf meinem Laptop aus Versehen auf einem kleinen Dorfslam aufgetreten bin und gemerkt hab: ah cool, es reimt sich und die Leute hören trotzdem zu!

Hast du Lampenfieber?
Jesko: Nee, gar nicht. Außer mit einem neuen Text. Oder bei einer Meisterschaft. Oder wenn ich in der Nacht davor schlecht geschlafen hab. Ok, also manchmal.
Ortwin: Nur wenn ich meinen Text nicht kann. Ok, also meistens.

Was würdest du tun, wenn du nicht scheitern könntest?
Jesko: Fünfzehn Leute einstellen, die diese ganze nervige Marketing- und Bürokratie-Arbeit übernehmen, und die das so gut machen, dass sie ihr eigenes Gehalt wieder reinholen.
Ortwin: Das Poetry Slam Ding sein lassen und ne schöne Runde BWL studieren.

Welche tolle Textzeile hättest du gern selbst geschrieben?
Jesko: „Sichte ich dich, dichte ich von verlockenden Locken, die wie in der Werbung locker wie Flocken fallen“ (Bas Bötcher/Zentrifugal. Mein Beispiel wann immer ich Amis zeigen will, dass die deutsche Sprache nicht immer wie Nazis klingt.)
Ortwin: Nicht nur eine, sondern die meisten von Philipp Scharrenberg.

Du auf einer einsamen Insel, welche drei Bücher nimmst du mit?
Jesko: Kann ich stattdessen auch einfach drei Poet*innen mitnehmen? Welche, die ihre Texte auswendig können?
Ortwin: Die Stadt der träumenden Bücher, ein Telefonbuch und eine Bauanleitung für ein Nokia.

Wer war der Held deiner Kindheit und wer ist es heute?
Jesko: Der Held meiner Kindheit war wahrscheinlich irgendein Radiomoderator. Oder ein Ritter. (Ist ja fast das gleiche.)
Ortwin: Als ich klein war, vermutlich irgendein sinnloses Kind aus der Klasse über mir. Heute ganz klar alle Menschen, die es schaffen, regelmäßig zu einer einstelligen Uhrzeit aufzustehen und dennoch niemanden zu erschießen.

Wo fühlst du dich zuhause?
Jesko: Auf meinem „Home-Slam“, dem Schall & Rauch im Fabriktheater Moabit.
Ortwin: Überall, wo man mir ein Bier hinstellt.

Woran merkst du, dass du erwachsen geworden bist?
Jesko: Dass ich mit Ortwin öfter über Umsatzsteuer rede als über Reimschemata.
Ortwin: Wenn ich mich bei Jesko ausheule, dann seltener wegen Liebeskummer, sondern wahrscheinlich wegen meiner Steuererklärung.

Wovor hast du Angst?
Jesko: Dass ich mit Ortwin öfter über Umsatzsteuer rede als über Reimschemata.
Ortwin: Dass Jesko sich auch 2020 weigert meine Steuererklärung zu machen.

Wenn wir dich zuhause besuchen, was würdest du für uns kochen?
Jesko: Kaffee
Ortwin: N schönes heißes Wasser!

Was sollte jeder über euch wissen?
Jesko: Alles. Wir sollten einfach Teil der Allgemeinbildung sein.
Ortwin: Nur das Schlimmste. Dann seid ihr hinterher wenigstens positiv überrascht.

Was sollte niemand von euch wissen?
Jesko: Dass wir total sell-out sind. Gib uns genug Geld und wir schreiben dir nen Text über intermodalen Güterverkehr, oder Ortwin?
Ortwin: Ich muss seit fünf Jahren die Pausen zwischen den Texten und den Jurywertungen überbrücken. Ich glaube, es ist schon alles gesagt.

Welche Frage hätten wir dir stellen sollen?
Jesko: „Wieviel Geld müsste ich euch geben, um einen Text über multimodalen Güterverkehr zu schreiben?“ und „Welcher Text liegt euch schon lange auf dem Herzen, aber ihr kommt einfach nicht dazu, ihn zu schreiben?“
Ortwin: „Kannst du mir nochmal deine IBAN schicken?“

Das letzte Wort:
Jesko: Hat immer Ortwin.
Ortwin: Danke Jesko.

FOTO: Tino Samland