Olivia Wenzel, Jahrgang 1985, wuchs als Kind einer weißen Mutter aus Ostdeutschland und eines schwarzen Vaters aus Sambia in der Nähe von Weimar auf. „Dort lebten wenige Schwarze, wir wurden ständig verwechselt“, sagt sie. Inzwischen lebt sie in Berlin und wird weniger oft verwechselt. Das Thema Alltagsrassismus hat sich damit aber nicht erledigt. In ihrem ersten Roman „1000 Serpentinen Angst“ thematisiert sie ihre ganz persönlichen Erfahrungen und teilt Gedanken zu Herkunft und Verlust, über Lebensfreude und Einsamkeit, Liebe und Angst. Im Buch geht es um eine eine junge schwarze Frau, die in Ostdeutschland Ende der 1980er Jahre auf die Welt kommt, später nach Berlin zieht und getrieben ist – von den Menschen in ihrer Umgebung, dem toten Zwillingsbruder, der überforderten Mutter und dem abwesenden Vater. Starker Tobak, starker Roman. Momentan ist Olivia dabei ringsum Interviews und Lesereisen zu bewerkstelligen. Ihr kafkaesker Hang zu To-Do-Listen kommt ihr da sicher zugute.
Name: Olivia Wenzel
Alter: 35
Wohnort: Berlin
Beruf: meistens Autorin & Musikerin, gebe manchmal auch Workshops & manage Kulturprojekte
Schuhgröße: Eine Größe zu groß für so genannte Damenschuhe.
Lieblingsort auf der Welt: Am Meer, egal wo.
Kontakt: Über meinen Verlag, S. Fischer.
Würdest du lieber etwas versuchen und dabei scheitern oder es gar nicht erst versuchen? Ich versuche gern und oft neue Sachen, in meiner Arbeit und generell. Scheitern ist für mich weder peinlich noch negativ. Nur beim Essen gefällt mir eine gewisse Routine; ich gehe sehr gern in gutbürgerlichen, langweilig anmutenden Restaurants essen.
Was wäre eine Sache, die du uns beibringen könntest? In sich selbst hineinzulauschen und sehr genau auf die „innere Stimme“ zu hören.
Was ist wichtiger: Theorie oder Praxis? Das geht für mich Hand in Hand, ich habe auch genau das studiert: Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis.
Wer oder was inspiriert dich? Filme wie „Beasts of the Southern Wild“, Bücher wie Jia Tolentinos „Trick Mirror“, Menschen in meinem Alltag, denen ich zufällig begegne und die herzlich und offen sind.
Wenn alle Jobs gleich bezahlt werden würden, welchen Beruf würdest du dann wählen? Ich habe das Glück und Privileg, von meiner künstlerischen Arbeit leben zu können. Viel Geld hat mich noch nie interessiert, eher überfordert. Sprich: Ich würde all das machen, was ich bisher gemacht habe, genauso.
Auf was für Veränderung hoffst du in der Zukunft? Verbot der AfD, verstärkte soziale Beschämung all derer, die menschenverachtend hetzen, ein Internet, das mir nicht ständig irgendwas verkaufen will, inklusive mich selbst, eine intaktere Natur, und, wie jedes Jahr: dass ich es endlich schaffe, genügend Sport zu treiben, um mich einigermaßen fit zu fühlen.
Wie alt wärst du gerne für immer? Ich glaube, 40 zu sein wird der Hammer.
Bist du ein Gefühls- oder ein Kopfmensch? 50/50
Welche aktuell lebende Person würdest du gerne mal treffen? Ich würde mich sehr freuen, wenn Tic Tac Toe sich wiedervereinigen und mir zuhause, im Wohnzimmer, ein Acapella-Rap-Konzert geben würden. Und ich würde sehr gerne mal ein paar Tage mit einer Spielerfrau irgendeines international bekannten Fußballstars verbringen, also Einblicke in ihren Alltag bekommen. Würde Sun Ra noch leben, würde ich auch ihn gern treffen, auf dem Saturn ein bißchen mit ihm umher floaten und von weit weit weg, mit großer Gelassenheit, auf die Erde schauen.
Wenn du nicht mehr schlafen müsstest, was würdest du mit der zusätzlichen Zeit anfangen? Ich liebe Schlafen. Aber wenn ich tatsächlich mal etwas mehr freie Zeit zur Verfügung hätte, würde ich gern monatelang chillen, gut essen, am Meer herumliegen und lesen. Also die Form von Urlaub als Alltag leben, für die so viele Leute so viele Jahre hart arbeiten gehen.
Was würdest du ändern, wenn du die Macht dazu hättest? Siehe: Auf welche Veränderungen hoffe ich in der Zukunft.
Wenn wir dich zuhause besuchen, was würdest du für uns kochen? Ich bin keine gute Köchin. An einem okayen Tag würde ich euch wahrscheinlich was Vietnamesisches bestellen, an einem schlechten Tag ’ne billige Tiefkühl Margherita in den Ofen hauen.
Was sollte niemand von Dir wissen? Womit ich mein Geld verdienen wollte, als ich nach Berlin zog.
Welche Frage hätten wir dir stellen sollen? Im Moment werde ich ziemlich oft gefragt, was in meinem Roman autobiographisch ist. Ich find’s toll, dass ihr das nicht gefragt habt.
Das letzte Wort: Schaut unser schönes Video an, das wir, von meinem Buch inspiriert, gedreht haben!
FOTO: Juliane Werner