Das 2-Minuten Interview
Annie O hatte auch mal einen Nachnamen. Damals war sie noch Investmentbankerin in London. Inzwischen ist sie DJane, legt (im Zweifel nackt und auch in dreißig Jahren noch, siehe unten) in Tel Aviv oder Paris auf und arbeitet an einem eigenen Live-Act. Oha, was für ein Turn! Doch weil das Leben zu kurz ist für den ganz großen Irrweg und wir nur eins davon haben, entschied sie sich ihrem Herzen zu folgen und die Karriere mit Leidenschaft statt mit Kohle zu füllen. Kennengelernt haben wir Annie auf der diesjährigen Projektin Konferenz in Nürnberg, bei der sie in einem sehr inspirierenden Vortrag von sich und ihrer Geschichte erzählte. Im Interview kämpfen wir an der Seite von Sigmund Freud und mit Bitcoins bewaffnet gegen eine Riesenente und laden uns danach selbst zum Essen ein. Ach ja, in anderthalb Wochen läuft sie den Berlin-Marathon. Mist, da hätten wir ja direkt mal nach ihrer Playlist fragen können.
Name: Annie O
Alter: 33
Wohnort: Berlin
Beruf: DJane
Schuhgröße: 38
Lieblingsrausschmeißersong: „My heart will go on“ von Celine Dion
Kontakt: anniemal.x@gmail.com
Welcher Moment hat alles verändert? Der Moment, in dem ich bei der Investmentbank gekündigt habe und beschloss, mich nicht vom System einnehmen zu lassen, sondern mein eigenes Ding zu machen.
Vinyl oder MP3? MP3 – oder, um genauer zu sein, WAV/AIFF
Die erste Platte deines Lebens? Pumuckl. Tatsächlich.
Keiner tanzt. Was tun? Mehr Kleidungsstücke ausziehen.
Erfolgreiche 60-jährige Banker gibt es viele, erfolgreiche 60-jährige DJ’s eher wenig. Warum hast du das nur getan? Hm, da würde ich nicht direkt zustimmen. Es gibt viele erfolgreiche DJs, die schon „älter“ sind. Allerdings kann der Lebensstil eventuell irgendwann etwas anstrengend werden, so dass man sich an einem Punkt vielleicht bewusst entscheidet ruhiger zu werden. Aber ich glaube, dass man als DJ ewig weitermachen könnte, wenn man das wollte und am Puls der Zeit bleibt. In hohem Alter könnte man dann als „DJ-Senior/in“ wieder zur coolen Sensation werden.
Welche geniale Idee hättest du gern selbst gehabt? Bitcoins. Das ist leider völlig an mir vorbeigezogen.
Wem würdest du gerne ein Denkmal setzen? Sigmund Freud. Er mag unter Umständen etwas kontrovers sein – aber ich interessiere mich sehr für Psychoanalyse und die Tiefen der menschlichen Seele. Seine Erkenntnisse haben mich schon damals in der Schule zutiefst fasziniert.
Das Problem deiner Generation? Wir sind flatterhaft und ungeduldig geworden. Alles muss schnell gehen, alles muss sofort passieren, wir können uns aufgrund der vielen Möglichkeiten schlecht entscheiden, wir gönnen uns nicht viel Ruhe, sondern sind dauernd durch Messages, Emails und Soziale Medien abgelenkt. Auch sind wir oberflächlicher geworden – wir sorgen uns mehr um unser äußeres Image, versuchen uns richtig in Szene setzen.
Würdest du lieber gegen eine Ente kämpfen, die so groß ist, wie ein Pferd oder gegen 100 Pferde, die so klein sind, wie Enten? Ich wähle die große Ente. Ein Gegner ist einfacher zu händeln als 100. Allerdings würde ich mich erstmal mit ihr an einen Tisch setzen und mich mit ihr aussprechen wollen. Kämpfen ist doch nicht nötig – dahinter steckt doch zumeist ein unerfülltes und unausgedrücktes Bedürfnis, mit dem man hoffentlich auch anders umgehen kann.
Welche Superheldenkraft hättest du gerne? Ich würde anderen Menschen gerne ihre innere Schwere, all das nehmen können, was sie bewusst oder unbewusst belastet. Auf eine Art versuche ich das zumindest kurzzeitig mit meiner Musik – das Grundgefühl meiner Musik ist uplifting und happy, und ich genieße es sehr, wenn ich beobachte wie Leute auf der Tanzfläche ekstatisch aus sich herauskommen, verträumt lächeln und alles um sich herum vergessen. Aus wahrscheinlich ähnlichem Beweggrund habe ich vor ein paar Jahren auch eine Ausbildung in Hypnosetherapie gemacht.
Wenn wir dich zuhause besuchen, was würdest du für uns kochen? Oh, Kochen ist gar nicht meine Stärke. Wenn ich koche, was recht selten ist, dann eher „funktional“ – ich würde wahrscheinlich eine Art Reispfanne mit Gemüse machen. Oder so. Oder euch doch gleich lieber in eins der vielen Restaurants in der Nähe einladen.
Wenn eine Fee dir eine Fähigkeit schenken könnte, welche würdest du wählen? Ich würde gerne die Zeit anhalten können. Denn manchmal wünsche ich mir mehr Zeit, um all die Eindrücke und Energien anderer Menschen zu verarbeiten, die ständig auf mich einprasseln. Da würde ich gerne einfach mal kurz durchatmen und in mich reinhören können, bevor die Zeit weitergeht.
Was würdest du ändern, wenn du die Macht dazu hättest? Ich würde gerne ändern, wie wir Menschen generell miteinander kommunizieren. Ich würde mir wünschen, dass jeder in der Lage wäre und sich frei genug fühlen würde um genau das zu sagen, was er/sie denkt und fühlt und welche Bedürfnisse er/sie hat – denn das würde sehr vielen Konflikten vorbeugen und die Welt zu einem viel entspannteren, verbundeneren Ort machen, sowohl auf privater als auch auf gesellschaftlicher und sogar politischer Ebene.
Was sollte niemand von dir wissen? Genau das, was ich jetzt auch nicht sagen werde :)
Welche Frage hätten wir dir stellen sollen? Ich stelle Leuten, die ich im Club kennenlerne, als Gesprächsöffner gerne mal die Frage: „Was ist die erste Erinnerung deiner Kindheit?“ Das überrascht die meisten und es kommen dann immer interessante Gespräche dabei raus. Das ist meine kleine Rebellion gegen den Smalltalk.
Das letzte Wort:
Wer später bremst ist länger schnell.
Foto: Manolo Ty