MMW_herbert

HERBERT

Herbert hat vor allem Kraft. Sein ganzes Leben war es vor allem die Physis, seine unheimliche Präsenz und unnachgiebige Stärke, die ihn auszeichnete, die ihn zum erfolgreichen Boxer, zum „Stolz von Leipzig“ machte. Das mit dem Stolz ist vorbei, lange schon. Herbert verdient sich als Geldeintreiber für einen zwielichtigen Typen. Sein boxerisches Können gibt er als Amateurtrainer weiter an Eddy, seinen Schützling. Doch irgendetwas stimmt nicht mit Herbert. Er fühlt sich immer häufiger schwach, wird von Krämpfen geplagt, bis er schließlich zusammenbricht. Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, war im Sommer 2014 ein allgegenwärtiges Thema. Hunderttausende Menschen kippten sich kübelweise Eiswasser über den Kopf. Ob des Spaßfaktors trat gelegentlich in den Hintergrund, worum es dabei eigentlich ging, nämlich aufmerksam zu machen auf eine irreversible, unheilbare und gnadenlose Krankheit und das sekundenkurze Nachempfinden der damit verbundenen Schmerzen. Herbert also, die starke, mächtige Hauptfigur in Thomas Stubers gleichnamigen Langspielfilm-Debut verliert in rapidem Tempo alles was ihn zeitlebens definierte. Er verliert sich selbst und wir schauen ihm dabei zu, wie die Krankheit ihn schwächt, ihn lähmt und ihm Stück für Stück die Kontrolle über seinen Körper entzieht. Ihm bleibt nur wenig Zeit, um sein Leben in Ordnung zu bringen, um Frieden mit seiner Tochter Sandra und Enkelin Ronja zu schließen und die Beziehung zu seiner Geliebten Maria zu pflegen. Darsteller Peter Kurth spielt Herbert nicht nur, er ist Herbert. Er lässt uns förmlich mitleiden und mitleben. Der Tod ist unausweichlich für ihn, allein dadurch, dass wir dies wissen, können wir diese Reise von und zu sich selbst mit ihm gehen. Jede Minute, jede Sekunde, intensiv, endlich, bis zum Ende, der Erlösung vom Schmerz und von der Fessel des Ungesagten. Ein berührender, ein erdender, ein wirklich guter deutscher Film.
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Herbert | z.B. im Thalia, Kino in der Kulturbrauerei etc. | Facebook | Trailer