Auf den Punkt.

Mit guten Restaurants ist das so eine Sache. Entweder ist das Niveau bodenständig, die Gerichte erschwinglich, die Atmosphäre entspannt, oder die Speisen exquisit, die Preise gesalzen, die Etikette manieriert bis erdrückend. Seit Kurzem gibt es am Kreuzberger Paul-Linke-Ufer das Restaurant Spindler. Es ist nicht nur gut, sondern über jeden Zweifel erhaben. Warum, dazu kommen wir gleich. Nach bald einjähriger Renovierungsarbeit eröffnete Gastronom Frank Spindler gemeinsam mit der Designerin Karolina Preis das Restaurant mit dem vielsagenden Namen. Denn nur, wo ausschließlich Spindler draufsteht, ist auch 100% Spindler drin – wobei, wenn man genauer hinsieht mindestens ebenso viel Karolina. Die Modedesignerin ist verantwortlich für das komplette Interieur des Ladens, für jedes noch so kleine Detail, vom mit Hunderten mundgeblasenen Glaskugeln behängten Kronleuchter, über die unregelmäßigen Wand- und Bodenfliesen bis zu den Schnittblumen auf den Tischen. Der Laden ist auf den Punkt ohne zu posen. Er ist herrlich unprätentiös, wirkt irgendwie selbstverständlich und als gäbe es ihn genau so schon seit vielen Jahren. Die entspannte Stimmung überträgt sich auf das bunt gemischte Publikum. Irgendwie kommt man sich vor wie in der Lobby eines liebgewonnenen schicken Hotels, in dem man sich zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Freunden oder neuen Bekannten treffen kann, um zu quatschen, gemeinsam gut zu essen oder einen punktgenauen Cocktail zu schlürfen. Der Service ist per Du, am Nachbartisch wird Genglish-Danish gekauderwelscht, weiter hinten schallend gelacht und immer wieder kreisen staunende Blicke über formvollendet angerichteten Tellern. Marinierter Lachs liegt darauf, an gelber und roter Bete mit Ricotta, oder Baby-Artischocke mit violetten Kartoffeln, Romanesco, Süßkartoffelpüree, Rucola und Harissa Vinaigrette, ganz zu schweigen von den verboten großartigen Desserts. Mehrmals am Abend huscht der erst 30-Jährige Küchenchef Nicolas Gemin neugierig durch den Gastraum, um im anbetungswürdigen Französisch-Englisch Einzelheiten zu den jeweiligen Gerichten auszuplaudern. Nichts auf der Karte deutet auf die handverlesene Qualität der Zuaten hin. Vieles ist bio, nach Möglichkeit aus der Region und stammt aus nachhaltiger Landwirtschaft – alte Sorten und ursprüngliche Geschmäcker, statt Großmarktgemüse. Die Kompositionen bringen die Komponenten in Harmonie zusammen und schaffen es trotzdem die Aromen der einzelnen Bestandteile zu erhalten. Nicht, dass wir uns falsch verstehen, das Spindler ist sicher nicht der Laden für den 5 Euro Mittagstisch, soll er auch nicht sein. Es ist vielmehr Ausdruck eines neuen kulinarischen Selbstverständnisses in der Hauptstadt und Futter für den gestiegenen Appetit nach ehrlichem Essen mit guten Zutaten, das nicht nur satt sondern auch glücklich macht. Das Spindler bewegt sich irgendwo zwischen entspanntem Kreuzberger Szeneladen und Nobelküche. Allerdings fällt der Mix hier richtig herum aus. Während sich die Preise eher auf dem Niveau der erstgenannten Kategorie einpendeln (zwischen 15 und 22 Euro für den opulenten Hauptgang), muss sich die Küche hinter letzterer keinen Millimeter verstecken. What a catch! Ein Laden, der nichts beweisen will und damit genau das erreicht. So verbindet man hervorragende Küche mit entspannter Atmopshäre. Dit is Berlin. P.S. Demnächst öffnet das Spindler auch tagsüber mit fair gehandeltem Kaffee, Snacks und Kuchen zum Gleichessen oder Mitnehmen. Dann ist das vielleicht bald doch was für den Mittagstisch?

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Restaurant SPINDLER | Paul-Linke-Ufer 42, 10999 Berlin, Di-So ab 18 Uhr | spindler-berlin.com | Foto: Klaus Lange

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